F) PRINZIP DES GALVANISCHEN HEILPFLASTERSs GALVANOPLAST

1. Der historische Bezug

Wie im Kapitel über die historische Entwicklung der Elektrotherapie bereits erwähnt, war der Impuls zur genauen Erforschung der tierischen Elektrizität und Erregbarkeit von einer zufälligen Beobachtung des Bologneser Arztes Luigi Galvani ausgegangen. Er hatte einen frischen (feuchten) Froschschenkel mit einem Kupferdraht an das Zinkfensterbrett seines Hauses gehängt.

In dem Moment, als der Wind den Froschschenkel gegen das Fensterbrett wehte, trat folgende Situation ein. Zwei verschieden edle Metalle (edles Kupfer und unedles Zink) standen untereinander in direktem elektrischen Kontakt (Befestigungsstelle des Drahtes am Fensterbrett) und jedes Metall für sich noch mit dem Froschschenkel über dessen feuchte Haut.

Abbildung 9

Abbildung 9 zeigt, wie durch diese Konstellation praktisch eine kurzgeschlossene galvanische Batterie gebildet wurde. Denn wenn ein edleres Metall (hier Kupfer) und ein unedleres Metall (hier Zink) gleichzeitig mit einem Elektrolyten (hier Sekret auf der Froschschenkeloberfläche) in Kontakt gebracht wird, entsteht zwischen diesen beiden Metallen eine elektrische Spannung (s.u.). Werden diese beiden Metalle dann auch noch kurzgeschlossen (hier Befestigungsstelle des Kupferdrahtes am Zinkfensterblech), dann fließt ein Strom durch die Metalle und natürlich auch durch das Gewebe des Froschschenkels. Die im Froschschenkel enthaltenen Nerven, die für die Funktion der Muskeln zuständig sind, wurden elektrisch gereizt und es kam zu der berühmten Froschschenkelzuckung, die Galvani dazu bewegte, intensiver über die Wirkung des elektrischen Stromes auf den lebenden Organismus nachzudenken.

2. Das Prinzip der Spannungserzeugung

Batterieelemente, die nach diesem Prinzip (zwei verschiedene Metalle in einem Elektrolyt) funktionieren, werden auch heute noch nach ihrem Entdecker "Galvanische Elemente" genannt.

Daß beim Kontakt zweier verschieden edler Metalle mit einem Elektrolyten (Lösung mit darin enthaltenen Ladungsträgern bzw. Ionen) eine Spannung wie in einer Batterie erzeugt wird, ist ein Naturgesetz. Anhand ihrer Edelkeit sind alle Metalle in der sogenannten elektrochemischen Spannungsreihe aufgelistet. Vom edelsten Metall Platin ausgehend, nimmt die Edelkeit der Metalle dieser Reihe ständig ab.

Bringt man zwei unterschiedlich edle Metalle dieser Reihe gemeinsam in eine Elektrolytflüssigkeit, so kann an den herausragenden Enden eine elektrische Spannung abgegriffen werden. Indem die beiden Metalle nämlich mit der leitenden Flüssigkeit in Kontakt kommen, entsteht durch elektrochemische Prozesse, bei denen das unedlere Metall zersetzt wird (in Lösung geht), an den Kontaktflächen ein Ladungsunterschied in Form einer elektrischen Spannung. Werden die beiden herausragenden Enden nun verbunden, so fließt ein elektrischer Strom und es kommt zu einem Ladungsausgleich (Abbildung 10).

Die erzeugte Spannung ist laut Naturgesetz der "Elektrochemischen Spannungsreihe" genau definiert und ist um so größer, je weiter die beiden Metalle innerhalb dieser Reihe voneinander entfernt geführt werden (d.h. je edler das eine und unedler das andere Metall ist). So erzeugt eine Batterie aus Nickel und Cadmium (sog. NC-Akku) stets eine Spannung von 1,2 Volt.

3. Die weitere Entwicklung

Seit über hundert Jahren wurden immer wieder Patente angemeldet, die sich mit der medizinischen Anwendung eines auf der Haut durch zwei verschiedene Metalle erzeugten Gleichstroms befassen.

Zunächst wurden hierfür meist die Metalle Kupfer und Zink verwendet, die wie bei der Froschschenkelanordnung GALVANIs über den Schweiß Kontakt mit der Haut haben. Die erzeugte Spannung eines solchen bioelektrischen galvanischen Elements beträgt 1,11 Volt. Der Schweiß der Haut ist ein sehr guter Elektrolyt, da er sehr viele gelöste Salze enthält, wie man sich mit der Zunge leicht überzeugen kann.

Schließt man die beiden über den Schweiß mit der Haut in Kontakt stehenden und aus verschiedenen Metallen bestehenden Elektroden über einen Draht kurz, so ruft die durch Schweiß und verschiedene Metalle erzeugte elektrische Spannung einen Stromfluß durch das Gewebe zwischen den Elektroden hervor. Abbildung 11 zeigt diesen Strom. Während sich die Elektronen im Draht nur in eine Richtung, nämlich vom -Pol zum +Pol, bewegen, findet der Strom im Gewebe als Gegenstrom von unterschiedlich geladenen Ionen statt.

Da die Leistung einer solchen biophysikalischen Batterie leider nur sehr gering ist, bricht die Spannung sehr schnell zusammen und es kommt lediglich zu einem elektrischen Stromfluß, der sich mit seiner Stärke in einer Größenordnung von weniger als einem Millionstel Ampere befindet.

Diese geringe Stromstärke finden wir allerdings auch nur direkt unter den Elektroden, während sich der Strom mit zunehmendem Abstand spindelförmig auffächert (Abbildung 11).

Die auf dem beschriebenen Wege erzeugten Spannungen und Ströme waren für eine therapeutische Nutzung leider zu gering, weshalb sich solch eine einfache Anordnung für die stabile Galvanisation nicht durchsetzen konnte. Deshalb wurde in weiteren Patenten auch versucht, die direkt in den Hautkontaktelektroden erzeugte Spannung durch das Übereinanderschichten mehrerer Metall- und Elektrolytlagen zu erhöhen.

Leider laufen die oben erwähnten Zersetzungsprozesse am unedleren Metall bei Kontakt mit einem Elektrolyten (Oxidationen) auch dann ab, wenn kein geschlossener Stromkreis vorliegt. Die bisher vorgeschlagenen galvanischen Elektroden zersetzten sich aus diesem Grund schon immer vor der eigentlichen Anwendung am Körper.

4. Die "Galvanischen Doppelscheiben"

4.1. Die gestellte Aufgabe

Da für eine wirkungsvolle galvanische Elektrostrombehandlung mindestens Stromstärken von 5-10 Millionstel Ampere nötig sind, bedarf es der Spannung von mehr als einem Paar unterschiedlich edler Metalle. Außerdem ist ein von der Haut unabhängiger zusätzlicher Elektrolyt notwendig.

Um aber eine vorzeitige Zersetzung der Anordnung zu verhindern, muß der zusätzlich benötigte Elektrolytanteil bis zum Behandlungseinsatz streng von den zusätzlichen Metallelektroden getrennt bleiben.

4.2. Die Lösung des Problems

Zunächst wurde das unedlere Metall Zink durch Aluminium ersetzt und die Spannung eines galvanischen Elements so von 1,11 Volt auf 2,02 Volt erhöht. Kupfer wurde als das edlere Metall belassen.

Zusätzlich zu den nun auf der Haut plazierten Elektroden aus Kupfer und Aluminium, die in Verbindung mit dem Schweiß schon ein galvanisches Element bilden, wurden umseitig bzw. körperfern je eine weitere Metallelektrode aufgetragen. So bekam die Hautkontaktelektrode aus Kupfer eine umseitige Beschichtung aus Aluminium und die Hautkontaktelektrode aus Aluminium eine solche aus Kupfer. Es entstanden zwei Galvanische Doppel(metall)scheiben, bei denen die Hautkontaktelektrode und die umseitige bzw. körperferne Metallelektrode jeweils auch elektrisch leitend miteinander verbunden sind. Um den gleichzeitigen Kontakt beider Metallseiten mit der Haut zu verhindern, sind die Ränder dieser Scheiben mit einem Isolierrand versehen. Diese spezielle Elektrodenanordnung ist Abbildung 9 zu entnehmen.

Abbildung 9

So wie die Haut mit ihrem Schweiß die beiden Hautmetallelektroden zu einem galvanischen Element, also zu einer Batterie, verbindet, müßte die Verbindung der beiden körperfernen Metall-elektroden mittels eines zusätzlichen Elektrolyts eine weitere Batterie erzeugen. Jede Galvanische Doppelscheibe würde dann die Metallelektroden für zwei Batterien liefern. Eine Scheibe wäre dann nicht eine Batterie, sondern zwei mal eine halbe.

Die ideale Lösung dieses Problems war erst möglich geworden, als man begann, standardisierte Druckknopfpflasterelektroden zur Dauerableitung des Elektrokardiogramms (EKG) in der Intensivmedizin zu benutzen. Diese Elektroden sind durch Massenherstellung billige Einmalartikel, haben bei runder Form eine hohe Haftung mit langer Haltbarkeit auf der Haut und besitzen eine Kontaktelektrode mit Elektrolytgelüberzug, die durch das Pflaster hindurch Kontakt zu einem elektrisch leitenden Druckknopf hat.

Um in unserem Gedankengang fortfahren zu können, ist es wichtig zu wissen, daß der Elektrolyt eines galvanischen Elements nicht in sich geschlossen sein muß. Abbildung 10 zeigt einen Batterieaufbau, der ebenfalls möglich ist und sich in seiner Wirkung in keiner Weise von dem der Abbildung 15 unterscheidet. Wie man leicht erkennen kann, ist es nur wichtig, daß jede Metall-elektrode einer galvanischen Batterie mit einem Elektrolytanteil in Kontakt kommt und daß die beiden Elektrolytanteile untereinander ebenfalls elektrisch leitend verbunden sein müssen.

Das wiederum kann auf unterschiedlichem Wege geschehen. Entweder wird die Verbindung durch den Elektrolyten selbst hergestellt (Abbildung7) oder man verwendet einen Draht, der mit seinen Enden oder zwei an seinen Enden befestigten Elektroden in die beiden Elektrolytanteile eintaucht (Abbildung 10).

Abbildung 10

Mit dieser elektrophysikalischen Möglichkeit kommen wir zu den "Galvanischen Doppelscheiben" zurück.

Wie Abbildung 19 zeigt, kommt die körperferne Metallelektrode beider "Galvanischer Doppelscheiben" mit dem Elektrolytgelüberzug je eines Druckknopfelektrodenpflasters in Kontakt, wenn man die Scheiben mit diesem Pflaster auf die Haut klebt. Um die beiden Elektrolytanteile im Sinne von Abbildung 18 verbinden zu können, brauchen die beiden Druckknöpfe schließlich nur noch mit einem Klippkabel verbunden zu werden.

Abbildung 11

4.3. Die Vorteile des Galvanischen HEILPFLASTERs

Durch die Anwendung der "Galvanischen Doppelscheiben" in Form des Galvanischen Heilpflasters ist die physikalische Behandlung mit einem Gleichstrom als eine Form der stabilen Galvanisation in ihrer Einfachheit kaum noch zu übertreffen.

Der von dieser Elektrodenanordnung selbst erzeugte Strom liegt zwischen 10 und 20 Millionstel Ampere (10-20 µA) und damit in einem Bereich, der allgemein als wirksam angesehen wird.

Nach der für die biologische Wirksamkeit der stabilen Galvanisation bedeutsamen Formel

Q = I x t

wird in 24 Stunden etwa die gleiche Menge Ionen (Strommenge = Maß für die Reizstärke) im Gewebe verschoben wie bei einer herkömmlichen Behandlung mit ca. 1 Tausendstel Ampere (1 mA) in 15 Minuten.

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Copyright Dr. med. Mario Bergner, Memmingen